Der Umweg

Heidrun Feistner

 

Es schien dann die Sonne von vorn doch sehr gerade in ihr Gesicht, sie sah auch hinauf, sah sich um; sie meinte riechen zu müssen, hören zu sollen, jene Änderung im Verhältnis von Licht und Schatten würde sichtbar werden auch außerhalb des Kontrastes. Der Frühling erschrak sie wie die persönliche Ansprache aus einer Dunkelheit, wie ein verlegen vorgetragener Gruß, dem zögernd ihr Name folgte und wohl die Frage, wie es ihr gehe. Da trat eines in Pfützen oder es wurde angerempelt, so sehr erschrak es. Sie kennen dieses Lächeln der Abwesenden, der Schüchternheit. Sie würden den Dank entgegenzunehmen wissen, mit dem jene andere die Aufmerksamkeit der Sonne, welche die Pfützen so zwanghaft beleuchtete, daß sie freilich fast blendeten, nun doch noch gewahrte - bevor sie das Frösteln der Häuser streiften.

Sie hätten die Seite unwillkürlich gewechselt, wenn sie bemerken sollten, daß die sonst flüchtig wahrgenommene Wärme nicht wich, sondern an einem nicht näher zu bestimmenden Ort ihres Körpers nistete, als ob sie sich zuwenden, mitteilen wolle. Warum, fragten Sie sich, hatten Frauen ihr Elend nicht in dem einer Sonne beschrieben - hier, nah schon dem Norden, wo sie nicht tödlich ist.

 

1996/2006 (Die Kalendergedichte)